[Abgeschlossen] Erforschung der Vogelwelt der Südsee

Hintergrundinformationen

In den Jahren 1989-1994 unternahm der Brehm Fonds unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. D. Rinke, Vogelpark Walsrode, eine großangelegte Expedition zur Erforschung und zum Schutz der Vogelwelt der Südseeinseln. Das im südlichen Pazifik gelegene Untersuchungsgebiet umfasste mit Mikronesien (einschließlich Kiribati, Marshall-Inseln) und Polynesien (u.a. Fidschi-Inseln, Französisch-Polynesien, Samoa-Inseln, Königreich Tonga) zwei Archipele, die zahlreiche einzigartige, z.T. inselendemische Vogelarten beherbergen. Die Inseln sind entweder korallinen oder vulkanischen Ursprungs. Die kleineren Koralleninseln weisen häufig Kokospalmen-Monokulturen auf und sind relativ arm an Vogelarten; neben Seevögeln (Kolonien) kommen in Polynesien noch wenige andere Gattungen (z.B. Vini – Loris; Halcyon – Eisvögel; Acrocephalus – Rohrsänger) vor. Vulkaninseln sind aufgrund ihrer Größe und vielfältigeren Strukturierung wesentlich artenreicher und erheben sich z.T. mehr als 1000 m über den Meeresspiegel. Zu ihnen gehören die größten Inseln des Projektes, Vitilevu und Vanualevu (Fidschis), Savai’i und Upolu (West-Samoa) sowie Tahiti mit jeweils über 1000 km2 Landfläche. Um die teilweise noch gänzlich unerforschten Inselwelten zu erreichen, wurde eigens zu diesem Zweck das Forschungsschiff „Breum“ eingesetzt. Neben der Förderung durch den Brehm Fonds, die im Projektzeitraum mehr als eine halbe Million DM umfasste, unterstützte dankenswerterweise die Fa. TRILL dieses einzigartige Forschungsprojekt.

Die wissenschaftlichen Projektziele waren vielfältig und umfassten u.a. die Kartierung des Arteninventars ausgewählten Inseln, Bestandsschätzungen von Populationen, die Lokalisierung von Seevogelkolonien, die Erforschung der Biologie und Ökologie seltener und gefährdeter, nur auf eine oder wenige Inseln beschränkter Vogelarten und die Ermittlung anthropogener Einflüsse auf die Struktur von Lebensräumen sowie deren Auswirkungen auf dort vorkommende Arten. Gleichzeitig wurden Maßnahmen und Konzepte zum Schutz des Fortbestandes besonders bedrohter Vertreter der Avifauna erarbeitet. Zahlreiche Arten leiden nicht nur unter der Zerstörung ihrer natürlichen Lebensräume oder direkter menschlicher Verfolgung, sondern auch unter eingeschleppten Haustieren oder Schädlingen wie Hauskatzen oder Ratten. Deshalb wurden Arterhaltungsprogramme eingeleitet, um durch Nachzucht, Wiederansiedlung bzw. Umsiedlung und Managementmaßnahmen in den Zielgebieten einen kontrollierten Bestandsaufbau zu garantieren. Einen wichtigen Aspekt bildete dabei auch die Umwelterziehung, z.B. durch die Einrichtung von Vogelparks, die insbesondere der einheimischen Bevölkerung die Notwendigkeit des Schutzes von Vogelarten als wichtige Bioindikatoren verdeutlichte. Aus der Vielzahl der Untersuchungen im Rahmen der Südsee-Expedition werden nachfolgend exemplarisch einige wichtige Teilprojekte vorgestellt.

Die Forschungsarbeiten in dieser Inselgruppe sowie die Errichtung der Stationen wurde erst möglich durch die großzügige und freundliche Befürwortung der tonganischen Regierung und des damaligen Königs von Tonga, Seiner Exzellenz Taufa’ahau Tupou IV, der sich von den Aufgaben und Zielen des Brehm Fonds vor Ort persönlich überzeugen konnte. Durch diese engen Beziehungen konnten unproblematisch Forschungsgenehmigungen bereitgestellt und unser Anliegen einer fachlich qualifizierten Naturschutzarbeit somit nachhaltig gefördert werden.

Zu Besuch in der Brehm Fonds-Forschungsstation: Seine Exzellenz Taufa’ahau Tupou IV (© Brehm Fonds)

Zu Besuch in der Brehm Fonds-Forschungsstation: Seine Exzellenz Taufa’ahau Tupou IV (© Brehm Fonds)

Gemeinsam mit der Firma TRILL veranstaltete der Brehm Fonds ein Preisausschreiben, bei dem der Gewinner (mit Begleitperson) eine 14-tägige Reise ins Südseeparadies unternehmen konnte und vor Ort aus erster Hand über das Brehm Fonds-Projekt informiert wurde. Diese Aktion stieß in Deutschland auf sehr große Resonanz und verdeutlichte das öffentliche Interesse an derartigen Naturschutzprojekten.

Beispielgebend für die überaus erfolgreichen Arbeiten des Brehm Fonds seien die folgenden Teilprojekte genannt, die jeweils spezifische Schwerpunkte bzw. Arten zum Inhalt hatten.

1. Forschungsstationen und Vogelpark

Auf Tongapatu, der Hauptinsel des Tonga-Archipels, gründete der Brehm Fonds 1990 eine ornithologische Forschungs- und Zuchtstation, um dort Grundlagenforschung über einheimische Vogelarten zu betreiben. Eine weitere Station wurde in Veitongo errichtet. Eine angeschlossene Vogelausstellung für Besucher präsentierte endemische Arten der Südseeinseln bzw. informierte über deren Lebensweise, um damit der einheimischen Bevölkerung und Touristen die Einzigartigkeit des Naturerbes der Südseeinseln und den Gedanken des Artenschutzes plastisch zu vermitteln. Für zahlreiche Arten, darunter Rallen, Hühnervögel, Papageien und Erdtauben, wurden spezielle Volieren gebaut, um möglichst realistische Bedingungen für die Haltung und Zucht zu schaffen. Im Rahmen dieser Studien konnten zahlreiche neue, hochinteressante Details zur Ökologie, Verhaltens- und Brutbiologie seltener und endemischer Arten gewonnen sowie Nachzuchten erfolgreich durchgeführt werden. Die Haltungs- und Zuchtergebnisse wurden anschließend auf international bedeutenden ornithologischen Kongressen sowie in zahlreichen Veröffentlichungen, z.B. in „Gefiederte Welt“, präsentiert. Das Forschungszentrum wird heute unter dem Namen „Tongan Wildlife Centre“ weiter geführt.

2. Erforschung der Biologie seltener Papageien

Der Pompadour-Sittich (Prosopeia tabuensis) ist eine vom Aussterben bedrohte Papageienart und freilebend nur auf der Tonga-Insel ’Eua zu finden, wo weniger als 1000 Individuen in den verbliebenen Naturwäldern überlebt haben. Als gefährdeter und zugleich äußerst farbenprächtiger Vertreter der endemischen Arten der Südsee wurde er als Symbolvogel für die Brehm Fonds-Expedition gewählt.

Stark bedroht: Der farbenprächtige Pompadoursittich (© Brehm Fonds)

Stark bedroht: Der farbenprächtige Pompadoursittich (© Brehm Fonds)

Der Bestand dieser äußerst farbenprächtigen Vögel ist vor allem durch die Jagd und die Haltung von Sittichen als Haustiere bedroht. Im Rahmen des Brehm Fonds-Projektes wurden Lebensweise und Biologie der Art in der Forschungsstation eingehend untersucht sowie erfolgreich Nachzuchten realisiert. Die Jungvögel konnten dann dem Auswilderungsprogramm auf den Inseln Funoalei und Late bzw. zum Aufbau eines Zuchtstammes zur Verfügung gestellt werden.

Ähnliches gilt für seltene Vertreter aus der Gruppe der Pinselzungenpapageien, die ebenfalls mit in das Forschungs- und Zuchtprogramm aufgenommen wurden. In mehreren Arten vertreten, besiedeln sie häufig nur kleine Koralleninseln, z.B. in Polynesien, das in seiner flächenmäßigen Ausdehnung etwa dem europäischen Festland entspricht. Zu ihnen gehören Blaukappenlori (Vini australis) und Ultramarinlori (Vini ultramarina), kleinere Papageienvertreter aus der nur fünf Arten umfassenden Gruppe der Maidloris (Gattung Vini). Insbesondere der Ultramarinlori ist stark in seinem Bestand gefährdet, nur noch wenige Individuen besiedeln die Marquesasinseln. Neben der Bedrohung durch den Menschen (Fang) zählen vor allem Ratten zu den Feinden, die auch die Bruthöhlen plündern. Die Suche nach den Vögeln gestaltete sich z.T. recht schwierig, da sich die Vögel häufig nur im Kronenbereich der dort allgegenwärtigen Kokospalmen aufhalten und deshalb oft nur akustisch nachzuweisen sind. Zudem ist nachgewiesen, dass je nach Nahrungsangebot die Individuen – meist in kleineren Familienverbänden – auch zwischen benachbarten Inseln vagabundieren können, was Bestandsschätzungen zusätzlich erschwert.

3. Rettung des Niuafo’ou-Großfußhuhnes (Megapodius pritchardii)

Mit einem Bestand von wenigen Hundert Exemplaren zählt dieses tonganische Großfußhuhn zu den am stärksten bedrohten Vogelarten der Erde und ist weltweit der seltenste Hühnervogel überhaupt. Von den Einheimischen „Malau“ genannt, ist es nur noch auf der Vulkaninsel Niuafo’ou anzutreffen. Als Besonderheit im Vogelreich ist die Brutbiologie der Art zu erwähnen. Weibchen des Malau bauen keine Nester, sondern vergraben ihre Eier in 1-2 m Tiefe an ausgewählten Orten an der Kraterinnenseite der Insel in der warmen Vulkanasche. Durch diese sog. Geothermie, also die Nutzung von Erdwärme, werden die Eier erbrütet und die Küken nach dem Ausschlüpfen sich selbst überlassen. Leider sind die Vögel unterschiedlichen Gefährdungen ausgesetzt. Traditionell werden Eier und Küken zu Nahrungszwecken gesammelt, was jedoch den Fortbestand der Art nicht wesentlich beeinflusst hat, da manche dieser Stellen nahezu unzugänglich sind. Weitaus verheerenderen Schaden richten Hauskatzen und Ratten an, die sowohl Küken als auch Adultvögel erbeuten. Auch die nachtaktive Schleiereule ist als natürlicher Feind zu nennen. Zudem wurde von der Regierung zur Zeit des Projektbeginns ein Ausbau der industriellen Nutzung der Insel geplant.

Zur Rettung dieses einzigartigen Vertreters der südpazifischen Vogelwelt startete der Brehm Fonds in Kooperation mit Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum deshalb ein Arterhaltungs- und Umsiedlungsprojekt. Zunächst wurde anhand von geologischen und ökologischen Besonderheiten geprüft, welche weiteren Inseln als Reservate für die Art in Frage kommen, wobei Aspekte der Umgebungswärme als Faktor zur optimalen Entwicklung von Eiern eine wichtige Rolle spielten. Anschließend wurden etwa 30 Eier bzw. Küken des Malau eingesammelt bzw. künstlich erbrütet, um sie auf den noch ökologisch intakten, unbewohnten Inseln Late und Fonualei auszusetzen. Mit dieser beispielgebenden Arbeit und dem Malau als „Flaggschiffart“ wurde ein auch in den Medien positiv reflektiertes Signal gegen die Ausrottung von Arten in diesen einzigartigen tropischen Lebensräumen gesetzt; u.a. drehte die BBC einen Filmbeitrag über dieses einmalige Wiederansiedlungsprojekt.