Schwerpunktprojekt: Erfassung residenter und migratorischer Vogelarten im Pantanal Brasiliens

Schwarznacken-StelzenläuferDas brasilianische Pantanal ist das bedeutendste Feuchtgebiet und einer der Brennpunkte des Vogellebens in Südamerika. Die wasserreiche Region umfasst nahezu die Größe der alten Bundesländer (ca. 230.000 km²) und ist nicht nur die Heimat zahlreicher Wasservögel, sondern auch für viele andere Vertreter der tropischen bis gemäßigten Breiten. Mehr als 600 Vogelarten – fast ein Drittel der Avifauna Brasiliens – wurden bis 2011 dort nachgewiesen, von denen etwa 20% als Zuggäste nur saisonal auftauchen. Darunter sind solche aus anderen neotropischen Regionen, aber auch aus Nordamerika (Nearktis; Foto: Schwarznacken-Stelzenläufer, © J. Ferdinand) und aus der pazifischen Region (Australis).

Zwar ist die Herkunft der migratorischen Arten in den meisten Fällen bekannt, jedoch wissen wir über die Verbreitungsmuster, Nahrungsökologie und- einnischung, Bioakustik sowie Stoffwechselphysiologie (u. a. Mauser, Fettassimilierung) dieser Vertreter noch sehr wenig. Beispielsweise überwintern im Pantanal so heterogene Zieher wie pazifische Limikolen oder nordamerikanische Singvögel. Ähnliche Wissenslücken klaffen bei vielen der einheimischen Arten, die aus den unterschiedlichsten ökologischen Gruppen bestehen. Neben weit verbreiteten, anpassungsfähigen.

Einen weiteren Schwerpunkt unserer Studien bilden seltene und bedrohte Vogelarten. Nach den internationalen Kriterien der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) gelten 28 Arten als gefährdet, darunter z. B. Rotbrustguan (Penelope ochrogaster), Kronenadler (Harpyhaliaetus coronatus), Blauaugentäubchen (Columbina cyanopis), Weißbrauen-Schlüpfer (Synallaxis simoni) und Hahnenschwanz-Tyrann (Alectrurus tricolor). Als Paradebeispiel sind die fast ausschließlich auf das Pantanal beschränkten Hyazintharas (Anodorhynchus hyacinthinus) zu erwähnen, deren Ende des vergangenen Jahrhunderts vom Aussterben bedrohte Population im Kerngebiet mittlerweile wieder auf ca. 5.000 Individuen angewachsen ist.

Methodik und Projektziele

Die wachsende Bedrohung des Ökosystems Pantanal durch menschliche Eingriffe wird in Zukunft weiter voran schreiten. Bereits heute beeinträchtigen landwirtschaftliche Störfaktoren einerseits (Düngereintrag, Melioration, Umwandlung in Ackerland und Viehweiden) und der Bau riesiger Wasserkraftwerke andererseits weite Bereiche des Feuchtgebietes. In Folge einer massiven Absenkung des Grundwasserspiegels in den nächsten Jahrzehnten ist zu erwarten, dass sich heutige artenreiche Feuchtländer großflächig in Trockengebiete mit nur wenigen generalistischen Arten verwandeln. Projekte zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt haben daher oberste Priorität, um in den nächsten Jahren entscheidende Impulse gegen den fortschreitenden Verlust an Biodiversität zu setzen. Auf Einladung des Brazilian National Wetland Institute (INAU) wird sich der Brehm Fonds daher an einem internationalen Kooperationsprojekt der Universität von Cuiaba zum Monitoring der zoologischen Vielfalt des Pantanal beteiligen und exklusiv ornithologische Studien über die Biologie und Verbreitung von Wasser- und Zugvögeln durchführen.

Schwerpunkt des bis 2014 vorgesehenen Brehm Fonds-Projektes wird die Erfassung von Daten zu Vorkommen und Verbreitungsmustern von Vogelarten im nördlichen Pantanal mittels traditioneller und neuartiger Monitoringmethoden sein. Hierbei werden modernste Aufzeichnungstechniken, wie automatische Sounderfassung und Kamerafallen, zum Einsatz kommen. Neben Kontrollfängen mit speziellen Japannetzen und dem audiovisuellen Monitoring innerhalb ausgewählter Transekte werden an zusätzlichen Messstationen bioakustische Äußerungen und Bewegungen mittels geeigneter Empfangs- und Transmitteranlagen (Mikrofone, Kamerafallen) automatisch registriert und zur Auswertung durch spezielle Software an die EDV-Basisstationen weiter geleitet. Die Mess- und Kontrollstationen werden sowohl natürliche (cerrado-Savanne, Galeriewälder, Sumpfland) als auch vom Menschen beeinflusste (Weiden) Habitattypen umfassen, wobei deren Vegetationsstrukturen aufgenommen und charakterisiert werden. Darüber hinaus soll ein Soundarchiv mit den Vogelstimmen der Region aufgebaut werden.

Mit Hilfe dieses Forschungsansatzes sollen Antworten auf wichtige Fragen, z. B. hinsichtlich der Zusammensetzung und den saisonalen Interaktionen von residenten und migratorischen Vogelarten und hinsichtlich der Qualität ausgewählter Vogelgruppen als Indikatoren für mittel- und langfristige Veränderungen im Ökosystem, gefunden werden:

  1. Welche Arten, Artengruppen oder Biodiversitäts-Indizes repräsentieren die besten Indikatoren für (saisonale) Veränderungen von Vegetationsdecke, Landnutzung, und klimatischen Faktoren?
  2. Wie nischen sich Lang- und Kurzstreckenzieher im Vergleich mit den residenten Wasservogelarten ein?
  3. Welche Anzahl von Monitoringstationen ist am besten pro Untersuchungsgebiet geeignet (Kosten-Effektivitäts-Optimierung)?
  4. Wie genau und zuverlässig sind die von den automatischen Messstationen erhobenen Daten gegenüber konventionellen Monitoringmethoden (Netzfang, audiovisueller Nachweis)?
  5. Wie verändern sich Vogelgemeinschaften bei der Implementierung neuer Landmanagementmaßnahmen, bei Habitatübergängen (graduell vs. abrupt) bzw. der Wiederherstellung von Habitatkorridoren).

Mit Hilfe der Antworten sollen Landnutzungsstrategien erforscht werden, d. h. wie Vogelgemeinschaften durch Veränderungen der lokalen klimatisch-ökologischen Bedingungen und dem zyklischen Anstieg und Absinken des Wasserspiegels entlang der untersuchten Landschaftsgradienten beeinflusst werden.

Zum Ankauf der technischen Ausrüstung für die Felduntersuchungen wird der Brehm Fonds ca. 30.000 € investieren. In unseren Rundbriefen werden wir ausführlich über den Fortgang der Untersuchungen berichten.